Materialforschung: So entwickeln sich Bodenbelagsklebstoffe
Bei der Entwicklung von Bodenbelagsklebstoffen stand und steht längst nicht mehr nur die Technik im Mittelpunkt. Welche Parameter heute und zukünftig immer beachtenswerter werden.
Neben den rein technischen Eigenschaften von Grundierungen, Spachtelmassen und Bodenbelags- und Parkettklebstoffen müssen die Auswirkungen auf Verarbeiter, Verbraucher und Umwelt bedacht werden. Diese Teilaspekte spielten schon immer eine Rolle, allerdings veränderte sich ihre Bedeutung unterschiedlich über die Zeit“, sagte Dr. Frank Gahlmann, Geschäftsführer der Stauf Klebstoffwerke, mit einem Blick auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Verlegewerkstoffe.
Die Dynamik, mit der sich Verlegewerkstoffe insbesondere in den letzten 25 Jahren entwickelt haben, wird sich noch verstärken, katalysiert durch die o.g. unterschiedlichen Einflussfaktoren, prophezeite der Chemiker, um nach übergreifendem Ausblick die einzelnen Teilaspekte aus Sicht der Technik, des Arbeits-, Verbraucher- und Umweltschutzes in ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Bedeutung genauer zu beleuchten.
Bei der Technik geht’s vorrangig um die Verarbeitung und die Erfüllung der Funktion, beim Arbeitsschutz um Parameter wie Toxizität und Ergonomie. Der Verbraucherschutz stellt die Emissionen in den Fokus und der Umweltschutz bzw. die Nachhaltigkeit rückt die Faktoren Energie und Recycling in den Mittelpunkt. Die Emissionen gehören auch unter diese Überschrift, womit deutlich wird, dass die einzelnen Aspekte einander bedingen und miteinander korrespondieren können. Schaut man sich die technischen Eigenschaften im Detail an, sind Faktoren wie Geschwindigkeit, Universalität, Rückbaubarkeit und Mehrwert die Parameter, an denen sich die Industrie aktuell abarbeitet. Die Bauzeiten werden immer weiter minimiert. Chemisch härtende Klebstoffe und Grundierungen mit komplexer Kinetik und weiter optimierte Schnellspachtelmassen auf der einen Seite sowie nivellierende Unterlagsbahnen, folienartige, selbstklebende Dampfbremsen oder Hotmelts auf der anderen Seite können die Fertigstellung beschleunigen.
Die Entwicklung hin zu „einem Produkt für alles“ zielt auf den Anwendungsbereich oder die Verlegebedingungen. Dabei werden sogar gegenläufige Parameter miteinander verbunden, in dem man Bodenbelagsklebstoffe mit Fadenzug, temporärer Nachklebrigkeit und hoher Maßhaltigkeit kombiniert. Bei den Verlegebedingungen legt man den Fokus auf weitestgehende Unabhängigkeit von den Untergrundeigenschaften und vom Raumklima, Faktoren, die jedoch auch weiterhin Naturgesetzen unterliegen. Reaktionsharzgrundierungen mit mehrstufiger Härtung berücksichtigen diese Abhängigkeiten. Die Rückbaubarkeit drängt zunehmend in den Vordergrund.
Man setzt auf Grundierungen, Klebstoffe oder Unterlagen mit veränderter (limitierter ) Adhäsion in Abhängigkeit von der Belastung und hinsichtlich der Kohäsion auf elektrische, magnetische oder thermische Eigenschaften, die eine „Entklebung per Knopfdruck“ ermöglichen. Ein weiterer Ansatz sind Zwischenschichten mit Sollbruchstellen. „Mehrwert schaffen“, lautet ein weiterer Trend. Grundierungen, die Verfilmungs- und Vernetzungsgrade oder gegebenenfalls Wasserdampfdiffiusionsraten andeuten, Spachtelmassen mit „visueller Benachrichtigung“ der erreichten Belegreife genauso wie Grundierungen oder Klebstoffe mit Hinweisen auf erreichte Oberflächentemperaturen weisen in diese Richtung.
Der Umweltschutz wird heute zunehmend verbunden mit dem Begriff der Nachhaltigkeit getreu dem Motto „Der Weg in eine enkelgerechte Zukunft“. Teilaspekte wie die Nutzung regenerativer Energien oder nachwachsender Rohstoffe bieten noch Luft nach oben, wie auch die Förderung von Stoffkreisläufen. In Umweltproduktbewertungen werden die Auswirkungen dieser sinnvollen Entwicklungen auf die Ökobilanz von Verlegewerkstoffen eingeordnet. Nachwachsende und natürliche Rohstoffe sind Bestandteile vieler Klebstoffe. Man denke an Ricinusöl (Derivate) in 2-K-PURProdukten, Kolophonium (Derivate) in Bodenbelagsklebern, fettalkohol- oder fettsäurebasierte Polyole, Polyaminoamide, Weichmacher oder Additive bzw. auch Lignin- basierte PU-Dispersionen. Mineralische Füllstoffe wie Calciumkarbonat, Kaolin oder Talkum sind in großen Mengen in Klebstoffen enthalten und beeinflussen die Eigenschaften vieler Produkte.
Dabei muss der Fokus auf der leichten Ausbaubarkeit der Bodenbeläge liegen, die als Rohstoff wiederverwertet werden können. Umweltproduktdeklarationen, die ihrerseits die Stufen wie Rohstoffgewinnung, Transport ins Werk, Herstellung, Beförderung zur Baustelle, Verarbeitung und Wiederverwendung berücksichtigen, enthalten Aussagen zur Ökobilanz eines Verlegewerkstoffs und sind heute für alle Klassen von Verlegewerkstoffen verfügbar. Bei Ökobilanzierungen insbesondere von Klebstoffen ist ganz primär die Betrachtung des hergestellten Verbundsystems relevant, während der Vergleich zwischen ähnlichen Klebstoffen vernachlässigbar ist. Die Ökobilanz eines Hauses, das mit einem Wärmeverbundsystem versehen wird, verbessert sich dramatisch, während die Frage, welcher Klebstoff zur Klebung der Dämmplatten eingesetzt wurde, im Gesamtkonzept nahezu bedeutungslos ist. Die Klebung von Parkett auf Fußbodenheizung führt im Vergleich zur schwimmenden Verlegung zu einer signifikanten Energieeinsparung, wobei die Tatsache, dass verklebt wird, relevant ist, während die Differenz der Ökobilanzen von zwei Parkettklebstoffen nur einen sehr untergeordneten Einfluss auf die Gesamtbilanzierung.
Fazit für die Marktteilnehmer
Die Rohstoffindustrie muss sich künftig noch stärker für den Einsatz regenerativer Energien einsetzen, nachwachsende Rohstoffe nutzen oder die Rohstoffverfügbarkeit im Auge haben. Den Verlegewerkstoffherstellern wird neben dem Einsatz regenerativer Energien und nachwachsender Rohstoffe auch die Schaffung ganzheitlicher Eco-Design-Lösungen oder die Weiterentwicklung von Mehrwertprodukten obliegen. Bei der Produktentwicklung wird der Arbeitsschutz einer der dominierenden Einflussparameter und Treiber bleiben. Das Handwerk ist in der Pflicht, die Verlegewerkstoffe ganzheitlich zu bewerten, sich auf neue Arbeitsweisen umzustellen und die neuen Ansätze den Verbrauchern zu kommunizieren. Bei dieser Aufgabe wiederum die Verlegehersteller mit ins Boot zu holen, ist nicht nur hilfreich, sondern verstärkt auch die notwendige Kooperation zwischen den Partnern.
Quelle: boden-wand-decke 2019